Dieter Hildebrandt - Kabarettist


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Der Mond ist aufgegangen

Kohl hatte die amüsierende Manie, den vor ihm liegenden Text mit eigenen Ideen anzureichern. Sehr zum Entsetzen des jeweiligen Autors.
Da er auf Stil und Aussage eines Textes gewöhnlich so gut wie keine Rücksicht nahm, kam ich auf die Idee, ihm einen klassischen, von ihm verehrten Text auf das Rednerpult zu legen und mir vorzustellen, wie er mit diesem wohl umgehen würde.

Helmut Kohl spricht Matthias Claudius:

Der Mond,
meine Damen und Herren, und das möchte ich hier in aller Offenheit sagen,
ist aufgegangen!
Und niemand von Ihnen, liebe Freunde, meine Damen und Herren, wird mich daran hindern, hier in aller Entschlossenheit festzustellen:
Die goldnen Sternlein prangen
und wenn Sie mich fragen, meine Freunde, wo, dann sage ich es Ihnen:
am Himmel!
Und zwar, und das sei hier in aller Eindeutigkeit gesagt, so, wie meine Freunde und ich uns immer zu allen Problemen geäußert haben:
hell und klar.
Und ich scheue mich auch nicht, hier an dieser Stelle ganz konkret zu behaupten:
Der Wald steht schwarz und ...
lassen sie mich das hinzufügen
und schweiget.
Und hier sind wir doch alle aufgerufen - gemeinsam -, die uns alle tiefbewegende Frage an uns gemeinsam zu richten: Wie geht es denn weiter? Und ich habe den Mut und die tiefe Bereitschaft und die Entschlossenheit, hier in allem Freimut und aller Entschiedenheit zu bekennen, dass ich es weiss!
Nämlich:
Und aus den Wiesen steiget
das, was meine Reden immer ausgezeichnet hat:
der weiße Nebel wunderbar.


PS:
Ein Kritiker der SZ schrieb in seiner Kritik, es würde sich bei besagter Parodie um eine matte Polemik gegen Matthias Claudius handeln.